Aktionen Eltern für Kinder

Hungerstreik 2001

Wenn die Seele vor Hunger streikt

Vor wenigen Jahren ging eine Mutter Namens Betty Mahmoody mit ihrem im Verlagshaus Lübbe publizierten Erfahrungsbericht über ihre vom leiblichen Vater ins arabische Ausland entführten Kinder an die Öffentlichkeit. Ihr Buch "Nicht ohne meine Tochter" wurde zum Weltbestseller und rührte Millionen zu Tränen.

Doch Betty Mahmoodys Schicksal ist kein Einzelfall. Leider! Wie sie erleben Jahr für Jahr Tausende von Müttern und Vätern den Verlust ihres oder ihrer Kinder, weil der zugehörige Elternteil diese ins Ausland entführt hat. Und die Tendenz ist steigend. Im Zeitalter der Globalisierung rückt die Welt näher zusammen. Grenzen verschwimmen, Nationalitäten trennen nicht mehr, die Liebe wird grenzenlos. Die Trennungen leider auch.

Kinder, die von einem ihrer leiblichen Elternteile gekidnappt werden, werden überwiegend in das Heimatland dieses Elternteils entführt. Selten kehren sie in ihr eigenes Geburts- und Heimatland zurück.

Das Bewusstsein der eigenen Straftat und das damit verbundene schlechte Gewissen führen bei den meisten Elternteilen, die ihre Kinder entführt haben, zu der massiven Angst, der andere Elternteil könne die Kinder ebenfalls entführen und sie zurück nach Hause bringen.

Um die Liebe der Kinder zu dem verlassenen Elternteil zu zerstören, redet ihnen der entführende Elternteil ein, der verlassene Vater oder die verlassene Mutter sei böse, habe die Kinder misshandelt, sei gemein zu dem anderen Elternteil gewesen, sei ein schlechter Mensch und habe sowieso nie etwas von den Kindern wissen wollen.
Taucht nun der verlassene Elternteil aus dem Ausland auf, haben die Kinder Angst vor ihm und wollen ihn nicht mehr sehen.

Will der verlassene Elternteil seine Kinder nicht aufgeben, holt er sich anwaltliche Hilfe und beruft sich auf internationale Abkommen, welche besagen, dass entführte Kinder innerhalb weniger Wochen in ihr Geburts- und Heimatland zurück gebracht werden müssen.

Doch diese Rückführung erfolgt fast nie. Speziell deutsche Gerichte bestätigen das Faustrecht des entführenden Elternteils und erklären eine Rückführung des Kindes als Verletzung des Kindeswohles.

Immer wieder bin ich mit dem aus diesen Trennungen erwachsenden Leid konfrontiert. Sowohl dem Leid der Kinder als dem der verlassenen Elternteile. Jedes Mal versuche ich zu helfen. Doch um wirklich helfen zu können, müssen internationale Netzwerke aufgebaut werden.

Zu diesem Zweck reiste ich im Juni 2001 nach Washington D.C., um dort an einer Tagung über elterliche Kindesentführung teilzunehmen. Veranstalter der Tagung war die Selbsthilfeorganisation P.A.R.E.N.T unter der Leitung der Vereinsgründerin Maureen Dabbagh.

Mein Vortrag über das meine Erfahrungen und Erkenntnisse, dass es in deutsch-deutschen Trennungs- und Scheidungsfällen nicht grundlegend anders als in bi-nationalen abläuft, sorgte für eine lebhafte Diskussion.

Im Zusammenhang dieser Tagung in Washington D.C. vernahm ich erstmals von dem Plan einer internationalen Elterngruppe, nach Deutschland zu reisen, um vor dem Deutschen Bundesjustizministerium in Berlin mit einem Hungerstreik für ein Wiedersehen mit ihren Kindern zu streiten.

Gern war ich bereit, diese Aktion zu unterstützen und dabei mitzuwirken, Kindern ihren Vater oder ihre Mutter und verlassenen Elternteilen ihre Kinder zurück zu geben.

Aus diesem Grund setzte ich mich bei meiner Rückkehr mit der Presse und vor allem mit dem damaligen Webmaster und Vorstandsmitglied der Selbsthilfegruppe paPPa.com in Berlin in Verbindung. Dieser hatte sich seit Jahren einen Namen in der Väterrechtsbewegung gemacht und war in der Öffentlichkeit quasi als Personifizierung des von ihm mit einer umfangreichen Internetdatenbank ausgestatteten gemeinnützigen Vereins bekannt. Unter anderem hatte er auch den SPIEGEL-Journalisten Matthias Matussek bei dessen Recherchen zu seiner weltweit großes Aufsehen erregenden Reportage und den beiden zugehörigen Büchern über "Die vaterlose Gesellschaft" unterstützt. Außerdem vertrat er als Jurist und Verfahrenspfleger die Interessen von deutschen und internationalen Trennungs- und Scheidungskindern vor Gericht und war eng mit der international bekannten Organisation einer Berliner Interessengemeinschaft verbunden, die sich professionell für die Rückführung von Kindern einsetzt, welche von einem Elternteil nach Deutschland oder aus Deutschland ins Ausland entführt wurden. Last not least war dieser Mann in Berlin zu Hause, kannte Kreti und Pleti dort.

Daher erachtete ich diesen mir auch persönlich gut bekannten Webmaster von paPPa.com als denkbar besten Ansprechpartner für die Organisatoren des internationalen Hungerstreiks.

Heute ist mit gerichtlichen Maßnahmen bedroht, wer seinen Namen im Zusammenhang mit paPPa.com und seiner Feder führenden Rolle in der Väterrechtsbewegung nennt.

Im Jahr 2001 war er jedoch spontan bereit, sich mit den aus Paris anreisenden Organisatoren des internationalen Hungertreiks zu verbünden, Statements in der Presse abzugeben und die Aktion der ausländischen Elternteile durch eine bundesweit ausgerufene Demonstration der deutschen Vätervereinsmitglieder zu ergänzen. Mit 150 Stunden ehrenamtlicher Organisationshilfe legte er sich sogar tüchtig ins Zeug.

Etwas später wurde auch der bundesweit aktive, rund 2000 Mitglieder zählende Väterrechtsverein Väteraufbruch e.V. in die von Medien und Politikern viel beachtete Aktion der ausländischen Elternteile einbezogen.

Zur Initialzündung des am 11. Juli 2001 beginnenden Hungerstreiks in Berlin wurde die Inhaftierung des S.O.S-Präsidenten Maurice Elfeke, dessen zwei Söhne von der deutschen Mutter nach Deutschland entführt wurden und seither ihren Vater nicht mehr sahen.

Olivier Karrer, dessen Sohn ebenfalls nach Deutschland entführt wurde, sprang für Maurice Elfeke in die Bresche und organisierte den Hungerstreik durch. Dieser dauerte volle drei Wochen.

Ziel des Hungerstreiks war es, die deutschen Behörden auf das tragische Unrecht hinzuweisen, welches Kindern und Elternteilen durch eine Kindesentführung angetan wird, und mit Hilfe der Behörden ein Wiedersehen mit den geraubten Kindern zu ermöglichen.

Nach drei langen Wochen, in denen die beteiligten Mütter, Väter nebst einer Großmutter, bei jedem Wetter täglich stundenlang auf dem nackten Steinboden Berlin Alexanerplatz standen oder saßen, waren die Streikenden müde.

Erreicht worden war viel und doch nichts.

Die Presse hatte großes Interessen gezeigt. Zahlreiche Berichte und Reporte waren in verschiedensten Tageszeitungen und Magazinen erschienen. Das Fernsehen hatte Reportagen gedreht.

Die Bundesregierung zeigte sich eher distanziert.

Allein mir wurde die Ehre Zuteil, auf Veranlassung der damals amtierenden Bundesjustizministerin zu einem Gespräch mit dem so genannten Arbeitsstab Kind nach Berlin eingeladen zu werden.

Im Anschluss an dieses persönliche Gespräch mit mir sollte ein Treffen mit der verantwortlichen Leiterin der deutsch-französischen Mediatorengruppe stattfinden. Zu diesem Treffen sollte auch eine kleine Abordnung der Hungerstreikenden zugezogen werden, welche ein Papier mit ihren Forderungen vorbereitet hatten.

Persönlich wertete ich diese Einladung nicht allein als menschliche Geste der politisch Verantwortlichen, die damit das Leid der Betroffenen ehrten. Vielmehr sah ich in dieser Einladung das Zeichen der Zustimmung dafür, dass Handlungsbedarf besteht und nach Lösungen gesucht wird.

MEIN GESPRÄCHSBERICHT VOM 2. August 2001 entspricht meinen persönlichen Erinnerungen und Eindrücken.

Nachdem zahlreiche Elternteile die Gelegenheit ergriffen hatten, ihren Erfahrungsbericht mit der Bitte um Hilfe an die Ministerialdirigentin Frau Adlerstein ins Bundesjustizministerium zu senden, sah diese sich zu der Mitteilung veranlasst, dass sie weder in laufende Verfahren eingreifen, noch Beschlüsse ändern, geschweige denn die Unabhängigkeit der Richter antasten könne.

Dessen ungeachtet bin ich überzeugt, dass nur die Fülle der Berichte Betroffener auf den herrschenden Unrechtzustand hinweisen kann und Änderungen nur dann bewirkt werden, wenn Unrechtszustände immer wieder bewiesen werden.

Es handle sich bei Ausgrenzungen verlassener Elternteile durch den anderen Elternteil um "Exotenschicksale ", um "Einzelfälle", wurde mir gesagt. Es liegt an den Betroffenen allein, diese Einschätzung zu widerlegen.

Diesen Beweis wollten die verlassenen Eltern erbringen. Auch wenn der Hungerstreik 2001 für die eigene Sache, für ein Wiedersehen mit ihren Kindern leider nichts bewegte. Auch wenn keine Sekunde eines Wiedersehens gewährt worden war. Alle Beteiligten sind sich einig: Der Hungerstreik 2001 war der Anfang einer Tradition weiterer Hungerstreike. Eines Tages wird er der Anfang vom guten Ende sein und Kindern das Recht auf ein Leben mit ihren beiden Elternteilen bringen.

 
 

Mein Vortrag:

Kidnapping - or the German
"Law of the Dschungle"

Washington, D.C., June 7-9, 2001, at the Parental Abduction Conference organized by P.A.R.E.N.T. International, at the Hilton Garden Inn.